Waren Sie anschließend bei ASA aktiv? Wenn ja, was haben Sie gemacht? Welche Themen wurden damals im ASA-Netzwerk diskutiert?
Ich war Vorbereitungsreferentin für die nächste Gruppe. Es sollte ja wieder eine Nigeria-Gruppe aufgebaut werden. Und ich wollte für fünf Monate mit dieser Gruppe nach Nigeria reisen und dort eine Examensarbeit vorbereiten über Jugendarbeitslosigkeit in den Großstädten. Daraus wurde aber nichts. Denn: Wir waren eine hochpolitisierte Generation. Es gab daher ständig Auseinandersetzungen mit dem Kurator der „Stiftung Studienkreis“, die das ASA-Programm organisierte. Wir Studierenden wollten Einblick in die Finanzierung nehmen. Was haben die Spender für ein Interesse an unseren Auswertungsberichten? Geht es nicht um deren Profitgier und ökonomische Interessen in diesen Ländern? Wird unser Engagement vielleicht missbraucht? Es sollte dann ein ASA Südafrika eingerichtet werden. Dagegen haben wir revoltiert, da wir fanden, es werde das Apartheits-Regime dadurch stabilisiert. Wir VorbereitungsreferentenInnen trafen uns in verschiedenen Städten, verfassten Resolutionen, forderten Offenlegung der Finanzen. Der Kurator rief mich daraufhin an und drohte, wenn diese studentischen Unruhen nicht aufhörten, werde er meine berufliche Zukunft in der Entwicklungspolitik ruinieren. Ich habe ihn leider ernst genommen. Am nächsten Tag meldete ich mich in einem benachbarten Gymnasium für ein Praktikum an, stieg um auf Lehramt, sagte den 2. ASA ab. So wurde ich erst einmal Lehrerin, später ging ich zurück an die Uni und wurde Professorin für Mittelalterliche Geschichte. Diese Zeit interessierte mich wegen ihrer Alterität gegenüber der Moderne. In meinem Fach geht es zur Zeit um „Global History“, die endgültige Überwindung einer nationalstaatlichen Geschichtsbetrachtung. Alle diese Fragen der Post Colonial Studies nach Diversity, nach dem Othering und auch nach Whiteness haben wir bereits Achtundsechzig beim ASA diskutiert, wir waren wirklich sehr fortschrittlich! Das ASA-Programm stellte eine Alternative dar gegen die Langeweile der Universitäten in der miefigen Nachkriegszeit und angesichts der Feindbilder des Kalten Krieges, und es war daher das Forum für die kritische Intelligenz, die dort einen gewissen Raum vorfand, selbstbestimmt Texte über die Grundlagen einer globalen Welt zu lesen und zu diskutieren und Erfahrungen auszutauschen.
Ein weiterer zentraler Punkt, den wir damals diskutierten: wir fanden, dass bei ASA etwas zu naiv mit den Möglichkeiten eigener „empirischer Forschungen“ in den Gastländern umgegangen wurde. Als Soziologin setzte ich mich besonders ein für ein differenziertes Methodenbewusstsein in Bezug auf den interkulturellen Vergleich. Entscheidend ist eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Menschen aus den Gastländern. Das ist bei der Vorbereitung der Projekte in Deutschland oft zu kurz gekommen.